Ich laß´ mich gehen - Ein Abschied



Schönen Abend!

Mich hat Mathematik immer beruhigt. Nicht der Unterrichtsgegenstand Mathematik, da teile ich das Schicksal fast aller, sondern die Mathematik an sich; die Idee einer mathematischen Reinheit. Mich hat das immer beruhigt, daß es etwas gibt, wo es "Richtig" gibt und "Falsch", und nichts dazwischen! - Keine Graubereiche! "Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß; es gibt auch Graubereiche!" - Hab ich mir anhören müssen - meistens von Menschen, die die Welt überhaupt nur als Graubereich wahrnehmen wollten! "Nicht nur schwarz und weiß!"

Völlig sinnlos mit diesen Menschen darüber zu reden, daß es zwar meinetwegen Graubereiche gibt, aber daß schwarz und weiß sehr wohl vorkommen. Das war ein schwerer Verstoß gegen die aus eben so einem Graubereich stammende - und deshalb natürlich auch unausgesprochene - Übereinkunft, daß Aussagen grundsätzlich nur dann zulässig sind, wenn sie das Ungefähre als zentrale Botschaft in sich tragen und mit "I maan" eingeleitet und mit "Vaschdest?" beendet werden. "I mann, pf, vastest?" war ein vollwertiger Diskussionsbeitrag. Das war so eine Art, sich mit dem Establishement nicht zu arrangieren. Alles andere war reaktionär oder zumindest das, was wir darunter verstanden haben. Eine Haltung übrigens, die rigide durchgehalten wurde und selbst keine Graubereiche duldete, was man aber nicht anmerken durfte, da war man gleich reaktionär." Keine Grenzen!" - Das muß man natürlich auch verstehen; in einem Alter, in dem die eigenen Grenzen, zumindest die der Haut durch Pubertätsakne nicht genau erkennbar sind, denkt man sich gern die ganze Welt grenzenlos. Und ich mittendrin. Das war mir eigentlich nicht sehr recht, aber ich habe es eben zur Kenntnis genommen, daß die Welt, wie es aussieht, vielleicht wirklich ein einziger Graubereich ist. Einen besonders reichhaltigen Erfahrungsschatz hat mein Leben bis dahin nicht aufzuweisen gehabt, und meine Sozialkontakte haben sich damals vorwiegend in einem hormongebeutelten Graubereich abgespielt. Das war alles so irgendwie. Und da ist mir die Idee von Mathematik einfach tröstlich erschienen. "Richtig ist richtig, und falsch ist falsch! Und dazwischen ist nix!" - Hat mir sehr gefallen! In Mathematik als Unterrichtsgegenstand war ich eigentlich gar nicht so gut wie es meine Begeisterung für die Idee von Mathematik vermuten hätte lassen, aber das hat mir vorerst in meinem Selbstbild nichts ausgemacht, schließlich muß ich ja auch kein Statiker sein, um mich darüber zu freuen, daß meine Wohnung im dritten Stock bleibt. Was mich allerdings doch irritiert hat, war der Umstand, daß meine Schulnoten, namentlich die in Mathematik, hauptsächlich deshalb positiv ausgefallen sind, weil der Lehrer beim Verteilen dieser Noten einen Ermessensspielraum gehabt hat. "Die Lösung ist falsch, der Weg dorthin ist zwar originell, aber grundsätzlich richtig; 3- 4" Ich habe - und zwar in Mathematik - in vollen Zügen vom Graubereich gelebt! - Schande! Natürlich habe ich nicht drauf bestanden, daß "Falsch falsch" ist, da hat man als Schüler eher wenig Ermessensspielraum, da muß man sich knallhart und kompromisslos fürs Ungefähre entscheiden und nehmen, was man kriegt. Mein romantisches Verhältnis zur Mathematik habe ich mir nach der Schulzeit bewahrt, also rein romantisch, keine wüsten Affären mit Integralrechungen und Differenzialgleichungen, so rein romantisch, wann immer sich mir die Welt als das dargestellt hat, was sie nun einmal ist, nämlich zerfahren, verschwommen und unvernünftig, jederzeit gut für ein "Sag einmal, ... das war aber nicht ausgemacht!", dann hab ich gewußt:" Es gibt etwas, da stimmt alles!" Bis ich etwas erfahren habe, was mein Selbstbild zwar nicht wirklich wieder in den Zustand versetzt hat, in dem es vor der ersten Matheschularbeit war, aber dafür mein Weltbild gründlich erschüttert hat: Bis dahin bin ich davon ausgegangen, daß eins und eins zwei ist, und zwar unverrückbar und ohne jede Diskussion! Das ist so, und wenn nichts mehr gilt auf der Welt; eins und eins ist zwei, und dementsprechend alles, was sich daraus ergibt, nämlich das gesamte, lückenlose und schlüssige Gebäude der Mathematik. Und - ganz wichtig! - das funktioniert auch ohne, daß man sich mit irgend jemandem darüber einig werden muß, ein was und ein was zwei welche sind! Großartig! Wissen Sie, was ein Axiom ist? - Etwas, was nicht beweisbar ist, deshalb auch nicht bewiesen ist, aber man hat sich darauf geeinigt, daß man das, bis das Gegenteil bewiesen ist, vorerst einmal so gelten läßt. - Eine Übereinkunft, so was wie Tischmanieren.

Was ich erfahren mußte ist folgendes:
"Eins und eins ist zwei" ist keine Naturkonstante, sondern ein Axiom. Eins und eins ist nur zwei, weil wir es nicht besser wissen, wir haben keinen mathematischen Beweis dafür, weil man mit Mitteln der Mathematik nicht beweisen kann, daß die Mathematik fehlerfrei ist. Konsequenzenschwerer Umstand! Über der gesamten Mathematik hängt ein riesiges, halbschiefes "Sagma halt!" Das letzte Refugium, der Reinheit, in dem "Ja" "Ja" ist und "Nein" ist "Nein", in dem gilt, was gilt, und nicht, was die allgemeine Stimmung sagt, dieser Hort, zu dem ich zwar keinen Zugang habe, aber ich weiß, daß es ihn gibt, ich meine; wie viele Priester waren schon im Himmel, und trotzdem hat er eine zentrale Bedeutung für sie, diese letzte Bastion der Klarheit! - nicht mehr als "Zu einem blauen Anzug trägt man aber keine braunen Schuhe!" - Ich bin unbedingt dafür, daß man überhaupt gleich den blauen Anzug ausläßt, aber das ist nur eine Ansicht von mir, das muß ja nicht so sein, da gibt es sicher Gegenentwürfe, die müssen mir nicht gefallen, aber, wenn jetzt jemand Sandalen zum Anzug trägt, so schränkt dieser Mensch wahrscheinlich seinen gesellschaftlichen Handlungsspielraum dramatisch ein, aber er kollidiert mit keinem Naturgesetz, das ist nicht so, als würde er versuchen, den gestrigen Tag als Briefbeschwerer zu verwenden, "Wenn´s ihm g´fallt, ....". Auf diese Ebene der Beliebigkeit habe ich die Mathematik auf einmal heruntergematscht gesehen; mir war zwar nicht der Boden unter den Füßen, aber der Himmel über dem Kopf weggerissen geworden. - Wenn ich Mathematik studiert hätte und nicht nur aus der Ferne demütig bewundert, wäre meine Bestürzung wahrscheinlich nicht so groß gewesen. Schließlich funktioniert die Mathematik ja, warum sie trotz ihrer prinzipiellen Unbeweisbarkeit doch funktioniert, dürfen Sie mich nicht fragen, also fragen dürfen sie natürlich schon, nur ich kann es Ihnen nicht sagen. Aber damals war das schon ein erhebliches Weltbildwanken für mich.

Aber gut, wenn das so ist, dann kann ich mich dagegen nicht auflehnen, das muß ich dann als einen gültigen Satz akzeptieren. Irgendwie hab ich auch ziemlichen Respekt empfunden für den, der herausgefunden hat, daß man nicht beweisen kann, daß die Mathematik fehlerfrei ist. Das muß ein ganz ausgeschlafener Mensch sein; erstens Mathematiker, sonst hätte er sich nicht damit beschäftigt, zweitens ein hervorragender Mathematiker, sonst hätte er es nicht herausgefunden, und drittens muß er recht haben, sonst hätte diese Erkenntnis nur für hysterische Heiterkeit in einem kleinen akademischen Rahmen geführt und wäre als komplett schwachsinnig wieder vergessen worden. In der Mensa beim Tablettzurücktragen so ein: "Hast du schon gehört?" " Ja. Na, gut, den haben wir nicht mehr lang!" - und aus! Das wär's gewesen. Ich hätte davon nie erfahren, wenn das nicht wirklich stimmte! Ein brillanter Kopf; Respekt! An den kann man sich halten! Hab ich mir gedacht. Bis ich erfahren habe, daß dieser brillante Kopf, Kurt Gödel nämlich, mein neuerkorener Held der Logik, verhungert ist. Aber nicht, weil er nichts zu essen gehabt hat, also wenn der als Erkenner und Verkünder unangenehmer Wahrheiten von der akademischen Gemeinde in Acht und Bann geschlagen wird und fortan nicht einmal mehr eine Anstellung als Zeugwart beim kleinen Einmaleins bekommt und dann eben verhungert, so ist das für ihn natürlich tragisch, aber ich hätte mit diesem Märtyrertod prima leben können; nein aus Angst davor, vergiftet zu werden hat der sich totgehungert! In sich ja auch nicht wirklich logisch. Auf der Suche nach Idolen muß man Graubereiche in Kauf nehmen. Schade eigentlich..

Ich hätt das gern gehabt, daß irgendetwas stimmt. Nennt mich einen Romantiker, aber ich hätte das sehr begrüßt. Die Welt sonst ist ja nicht so eindeutig. Oder klar . Oder logisch. Das ist ja alles nicht wirklich zum draufkommen. Es ist zum Beispiel so, daß nicht einmal die Zeit sich an das hält, was ich von einem geordneten Universum verlange; Die Zeit vergeht nicht überall gleich. Das hat nichts damit zu tun, daß eine Stunde Trinken beim Wirten und die selbe Stunde auf den Trinkenden daheim warten als verschieden lang empfunden wird, sondern physikalisch meßbar. Ich hab mich da kundig gemacht. Weil ich wissen hab wollen, was es mit dieser Relativitätstheorie auf sich hat; Ich hab die Relativitätstheorie schon so oft ins Rennen geschmissen gesehen für die gegensätzlichsten Dinge, "Das Universum expandiert bis in alle Ewigkeit! - Wegen der Relativitätstheorie!" Aha. Eine Woche später hör ich "Das Universum wird wieder in dich zusammenstürzen!" Und was glaubst warum? - Richtig! "Wegen der Relativitätstheorie!" daß mich irgendwann der Verdacht beschlichen hat, jeder, der die Relativitätstheorie als Beweis für oder gegen etwas anführt, geht davon aus, daß sich nicht nur er sich nicht, sondern auch sonst niemand damit auskennt, aber jeder, der es hört, wird in Ehrfurcht erschauern und nicht wagen, dem Herrn Einstein, der ja als Zeuge angeführt wird, zu widersprechen. Das hat bei mir ja auch eine Zeit lang funktioniert. Aber mit der Zeit sind mir das dann zu viele und untereinander sehr widersprüchliche Dinge geworden, die mit dieser Theorie als Unterfutter behauptet worden sind, ohne, daß jemand dazugesagt hätte, was die Theorie eigentlich besagt, und wie das mit dem eben Behauptetem übereinstimmt.. Irgend eine großzügige naturwissenschaftliche Behauptung und dann so als blinder Jolly draufgeprackt die Relativitätstheorie; "Sticht! Frag nicht! Glaub's!" Also habe ich mich kundig gemacht soweit ich folgen konnte, und das war nicht sehr weit, es gibt also jetzt keine Vorlesung in theoretischer Physik, aber was sie unter anderem besagt, ist, daß die Zeit eben nicht überall gleich schnell vergeht. Von der Zeit hätte ich doch zumindest angenommen, daß sie sich normal verhält! Das darf man doch verlangen! Nein, die Zeit vergeht in der Nähe von schweren Körpern langsamer. Also, wenn ich jetzt zwei Kilo zunehm, muß ich mir deswegen nicht die Uhr öfter stellen, so ist es nicht, das müssen schon größere Massen sein, und auch da ist der Effekt mit einer Armbanduhr nicht zu messen, das hat auf uns praktisch keinen Einfluß. Wenn Sie jetzt zu einer Verabredung eine halbe Stunde zu spät kommen, wird es nicht funktionieren, daß Sie sagen, Sie sind bei einem ziemlich großen Haus vorbeigegangen, und Sie haben sich eh gedacht, daß da irgendwas ist, aber die Physik war halt dagegen, daß Sie rechtzeitig kommen konnten, naja, die Relativitätstheorie halt, das wird nicht funktionieren. Das sind wie gesagt nur sehr kleine Einheiten, um die sich das verschiebt, und die schweren Gegenstände sollten schon so ungefähr eine durchschnittliche Planetenmasse haben, damit der Effekt überhaupt meßbar wird, aber die Zeit ist nicht dieses gleichförmige Kontinuum, für das ich sie gehalten habe. Das ist für Nichtphysiker unter Ihnen jetzt wahrscheinlich ein bisserl überraschend, aber so ist es einmal; eins und eins ist nur zwei, solange wir nichts besseres wissen, und die Zeit, ich meine DIE ZEIT, keine Gesprächsrunde von Befindlichkeitssüchtigen, oder so Sachen, die man halt mehr intuitiv, vastehst?, - also, was soll ich sagen, die Zeit eben, dieses unentrinnbare, alles durchdringende universumsbeherrschende Wirklichkeitsmonster, - wenn sie sich in der Nähe von größeren Materieansammlungen aufhält, rastet sich ein bißl aus! Glaubt die, man kommt ihr nicht drauf? Was macht die? Denkt die sich, wenn wo eine Menge Masse ist, gibt´s vielleicht auch einen Wirten, und den sucht sie, und das dauert dann halt ein bisserl? Was soll das sein?

Ich weiß nicht, wie viele Jahrhunderte Wissenschaftsgeschichte, und da hab ich Ihnen die Heisenbergsche Unschärferelation noch erspart, das ist ja auch noch sowas, und was unterm Strich rauskommt ist, daß wir ziemlich genau, aber nicht exakt wissen, daß es das Absolute, wie´s ausschaut, wahrscheinlich ungefähr nicht gibt!

Na, gut, es gibt einen absoluten Nullpunkt der Temperatur, der liegt bei minus 273,15° Celsius, das hat man ausgerechnet, aber erstens ist absolut null zwar absolut, aber ja auch nichts wovon man abbeißen kann, aber man wird bescheiden; immerhin, es ist absolut, also gut. Aber zweitens, das ist ja jetzt wieder was für mich, das nehm ich ja fast persönlich; diesen absoluten Nullpunkt der Temperatur gibt's nur rechnerisch. Im Weltall, wo zwischen den Planeten keine Materie ist, die eine Temperatur haben könnte, es also reichlich Gelegenheit gibt, keine Temperatur zu haben, der Nullpunkt also erreicht sein müßte, hat es vier Grad! Oder vielleicht sind es auch nur zwei, das ist mir dann auch schon wurscht, jedenfalls die Restwärme vom Urknall heizt das Universum - also "heizt" kann man bei vier Grad über absolut null ja eigentlich nicht sagen, da kann man die Badehose ruhig daheim lassen - jedenfalls die "Hintergrundstrahlung" - sagt man so - vom Urknall macht das aus, daß es dort, wo es eigentlich überhaupt keine Temperatur haben dürfte, doch ein paar Grad hat. Die Welt, unser Planet, das werden Sie wahrscheinlich auch schon festgestellt haben, ist ja über weite Strecken mangelhaft, also es funktioniert, da will ich mich ja nicht beklagen, aber dieses "So isses! Punkt und aus!" das haben wir nicht so. Also, ich brauch das natürlich nicht den ganzen Tag, ich bin ja Mensch, aber irgendetwas, was jeder Überprüfung standhält, wo es nichts zu deuten gibt, das hätt ich schon gern gehabt. Der Mensch bemüht sich ja, da will ich ja nicht ungerecht sein. Absolut Null; der kälteste Punkt im bekannten Universum ist in Göttingen. - In irgendeinem Max-Planck-Institut hat man, in einem sehr aufwendigen Einsiedeglas, fragen Sie mich nicht was, heruntergekühlt auf ein Millionstel Grad über absolut Null. Da könnte man sagen: "Na, das ist doch so gut wie.." Ja. Ich möcht's aber nicht so gut wie, sondern ich möcht's so. Für die Herbstmode ist ein Millionstel Grad über absolut Null nicht zu schwül, das weiß ich schon, aber es ist halt nur in der Nähe.....

Ich hätte mir das ja eigentlich schon längst denken müssen; der Schöpfungsbericht, ist ja sicherlich nur ein Gleichnis, aber eines geht daraus zweifelsfrei hervor: Am ersten Tage schuf Gott Himmel und Erde, in der darauffolgenden Woche die Details, und am siebenten Tage ruhte der Herr. - Dieser siebente Tag ist nach unserem Verständnis der Sonntag. Wenn man das zurückrechnet, kommt zwangsläufig heraus: Das Universum ist ein Montagsprodukt! Ich kann mir also meinen Anspruch an Perfektion auf den Bauch hauen, und muß froh sein, daß eins und eins soweit zwei ist, daß sich die überwiegende Mehrheit der Erdbewohner darüber einig ist. Da könnte ja auch viel schlimmer sein. Die Mathematik könnte ja überhaupt so ausschauen, wie wenn ein Budget erstellt wird; drei oder vier Milliarden daneben sind Ansichtssache.

Ich werde also zur Kenntnis nehmen müssen, - Nein! Ich werde mich mit dem Gedanken anfreunden! Genau! Wenn´s schon ungefähr ist, dann will ich auch was davon haben. Ich werde mich also mit dem Gedanken anfreunden müssen....wollen, daß es in diesem Universum, oder da mach ich´s mir jetzt gleich ganz leicht, daß wahrscheinlich oder besser offenbar, also so, wie´s ausschaut, es in der Welt keine oder kaum zumindest aber nicht erkennbar etwas gibt, was ich für Ordnung im strengeren Sinn halte. - Damit werde ich mich anfreunden. - Ich weiß nur noch nicht, wann. Gern tu ich´s nicht. Es hat ja jeder so seine Sehnsüchte. Die gibt man ja nicht so gern auf.

Wenn jemand auf die Außerirdischen wartet, dann macht es zwar Spaß, vorzurechnen, daß angesichts der Entfernungen im Weltall und der langen Zeit, die es das Weltall schon gibt, auch wenn sich die Zeit nicht ganz so linear verhält, wie ich es mir eigentlich gedacht hätte, jedenfalls seit ungefähr dreizehn Milliarden Jahren gibt es das Weltall, man macht sich von einer Milliarde ja keinen Begriff; Eine Milliarde Schilling In Tausendern übereinander gelegt ist an windstillen Tagen zweihundert Meter hoch. Und jetzt für jeden Schein tausend Jahre; das heißt: Zwei Flockerln, und du siehst noch die Fersen von den Heiligen drei Königen. Zwei! Zweihundert Meter hoch! Und das mal dreizehn; das ist sehr lang. Und das Universum ist richtig groß. Da versagt jede Anschaulichkeit. "Wenn die Erde so groß ist wie ein Stecknadelkopf, dann ist der nächste Fixstern in ........ Bochum, und die nächste Galaxie .... am Mond, und ein Galaxienhaufen wäre so groß wie unser Sonnensystem, was aber vergleichsweise nur ein Stecknadelkopf .... Ist nicht sehr anschaulich, lassen wir es bei "Das Universum ist richtig groß." Und daß grad jetzt grad bei uns jemand vorbeischaut, das ist, sagen wir einmal, sehr unwahrscheinlich. Das ist, wie wenn man sich in die Sahara stellt, an den südlichsten Ausläufer des Hoggarmassivs, am 14. Mai um 17 Uhr 12 und darauf wartet, daß zufällig jemand vorbeikommt, der Fritz heißt, und dessen jüngere Schwester eine Änderungsschneiderei besitzt. Und wenn der um halb sechs kommt, gilt es schon nicht mehr, oder, wenn die Schwester eine Änderungsschneiderei besitzt, aber älter ist, ist er der falsche Mann. Natürlich gibt es eine Menge Menschen, die Fritz heißen, und nicht alle davon sind Einzelkinder, eine Menge davon werden sogar jüngere Schwestern haben, es ist nicht ausgeschlossen, daß die eine oder andere von denen eine Änderungsschneiderei besitzt, es herrscht in Afrika kein Einreiseverbot für Menschen, die Fritz heißen, und wenn so einer schon einmal in Afrika ist, kann er doch theoretisch einmal bei einer Wüstendurchquerung durchaus am Südausläufer des Hoggarmassivs vorbeischauen, es ist nicht unmöglich, daß er das am 14. Mai um 17 Uhr 12 tut, aber ich würde nicht auf so einen warten.

Daß die Außerirdischen bei uns vorbeischaun und uns dann vielleicht sogar auch noch heimholen. Das ist ja auch so eine Theorie, die ich schon gehört habe, um die Frage nach dem Ursprung des Lebens zu klären, sagen manche, daß das Leben von Außerirdischen auf unseren Planeten gebracht worden ist. - Bravo! Tolle Antwort! - Also, selbst, wenn das stimmen sollte, was ja an sich schon abwegig ist, aber sagen wir das stimmt; dann wissen wir jetzt nicht, wie das Leben entstanden ist, sondern, wir wissen nur, wo es nicht entstanden ist. Angeblich sind ja des öfteren Außerirdische bei uns und einige von denen haben dann auch Namen, die haben sich vorgestellt, würde mich interessieren, wie die sich vorstellen; sagen die "Grüß Gott!" oder "Grüß höheres Wesen!" oder "Grüß größere Ordnung!" die heißen dann "Raeel" oder "Alvolion" oder so. Immer so klingende Namen. Die heißen immer so, wie die Sachen, die im Supermarkt im Regal für Damenkosmetik stehen. Ich hab noch von keinem Außerirdischen gehört, der "Zmersch" oder "Pfnürrnpft" heißt. Ich weiß nicht, entweder sind die Außerirdischen ein ausgesprochen gaumenfaules Völkchen und artikulieren einfach nicht gerne, oder ihre Beißwerkzeuge sitzen so locker im Kiefer, daß ein Name wie "Bschestrak", wenn sie ihn aussprechen, die Einser fliegen läßt. Ich bin mir ja auch gar nicht sicher, daß es wirklich Außerirdisches Leben gibt, es kann schon sein, aber sicher ist es nicht. Das Argument, daß wir sonst ja ganz alleine im Universum wären, ist, glaube ich, nicht stichhaltig, weil : "Ja, und?" - "Das wäre ja eine riesen Platzverschwendung!" Das ist diese maßlose anthropozentrische Selbstüberschätzung; Das Universum ist ja nicht entstanden als Nachbarschaftspflegegemeinschaft für hominide Lebensformen, das Universum ist einfach entstanden. Und dann gibt´s uns auch. Aber das Universum gibt es doch nicht wegen uns. "Wir wissen, daß es das Universum gibt, weil es uns gibt." Mit so einem Satz lassen sich prima Irrtümer verfestigen. Korrekt heißt es "Nur weil es uns gibt, können wir uns überhaupt davon in Kenntnis setzen, daß es das Universum gibt." Ich bin zutiefst überzeugt, das Universum gäbe es auch ohne uns, nur wüßten wir es einfach nicht.

Das alles jemandem, der Freude an dem Gedanken daran hat, daß uns Außerirdische besuchen, um die Ohren zu dreschen, kann, wenn man in entsprechender Gemütsverfassung ist, schon Spaß machen, aber man tut es nicht, weil man mit fremden Sehnsüchten respektvoll umzugehen hat. Ich hab das für mein Privatleben so geregelt, wenn das Gespräch auf Außerirdische kommt, und ich ahne in der Runde eine Position, die mir nicht so recht einleuchten will, dann nehme ich unauffällig meine Brille ab und täusche einen Onmachtsanfall vor und bleibe mit dem Gesicht auf der Tischplatte liegen, bis ein anderes Gesprächsthema gefunden worden ist. Das geht im allgemeinen recht schnell. Es gibt sicher elegantere Methoden, mit so einer Situation umzugehen, aber die kann ich nicht; vielleicht lern ich sie einmal.

Ich kann mir das ganz nett vorstellen, wenn jetzt zum Beispiel jemand sagt: "Delphine sind die besseren Menschen, die haben sich zurückgezogen von uns und leben jetzt ein friedvolleres Leben." , daß man diesem Menschen nicht unverzüglich mit dem rhetorischen Faustkeil den Schädel spaltet, darauf hinweist, daß Delphine Raubtiere sind, also nicht friedlich, daß Delphine sich, so bizarr das jetzt auch klingt, aus wolfsähnlichen Landsäugern entwickelt haben, und schon dreißig Millionen Jahre lang im Wasser waren, bevor der erste Vormensch einen bösen Gedanken fassen konnte, und daß dieser Schulterschluß der Lungenatmer grundsätzlich etwas ist, was jeder vernünftigen Grundlage entbehrt. Daß man das alles und die andere halbe Stunde freien Vortrag einfach ausläßt und nur: " Na, geh!" sagt. Oder ich weiß ja nicht, was man auf sowas sagt, ich hör dann meistens erst auf zu reden, wenn alle gegangen sind, das geht interessanterweise auch immer recht schnell. Aber etwas in der Richtung von "Na, geh!" nehme ich an, wird wahrscheinlich passend sein. Also, das kann ich mir ganz nett vorstellen. Das kommt auch sicher besser als die Ohnmachtsnummer. Vielleicht kann man sowas lernen. Das kann ja nicht so schwer sein, das können ja andere auch! Gut, die hängen sich auch eine Spiralfeder ins Zimmer und glauben, daß das ihre DNS positiv aktiviert, oder besser gleich zwei Spiralfedern, das ist dann eine Doppelhelix. Die haben da mir gegenüber natürlich einen Vorsprung, und so jemand möchte ich ja dann auch wieder nicht werden.

Trotzdem. Ich muß da an mir arbeiten, aber daß ich das mit der Doppelhelix und der DNS jetzt nicht weiter ausgeführt habe, betrachte ich schon einmal als kleinen Beginn. Die Heisenbergsche Unschärferelation und die DNS Doppelhelix! Hab ich jetzt nicht ausgeführt. Da bin ich jetzt eigentlich ziemlich stolz auf mich! Weil, wenn ich was weiß, dann bin ich sehr geneigt, das dem momentan zu meiner geschwätzigen Verfügung stehenden Gegenüber unvermittelt und ausführlich darzulegen. Das mach ich recht gern. Das mach ich aber nicht aus einem Anspruch der Überlegenheit heraus, sondern, einfach so. wenn ich was weiß, erklär ich das . Notfalls auch ungefragt, aber detailliert. - Also, ich wüßt nicht, was ich sonst so mit jemandem reden sollte. Ehrlich nicht. Ich hab keine Ahnung, wie das andere machen. Es gibt ja Menschen, die können stundenlang miteinander reden, ohne, daß irgend ein Faktum dabei auf den Tisch kommt. Ich hab versucht herauszufinden worüber die reden; ich bin nicht draufgekommen. Ich wollte schon oft - aus, wie Sie mir glauben dürfen, rein wissenschaftlichen Zwecken, also "wissenschaftlich" darf man da eigentlich nicht sagen, - Gespräche belauschen, mithören, damit ich weiß, worüber man miteinander sprechen kann. Irgendwo in einem Lokal, ich sitz am Nebentisch und versuche herauszufinden, worüber Menschen miteinander sprechen. Es ist mir nicht gelungen. Ich hab da so eine Art Filter, Verhaltenstherapeuten nennen so etwas sicherlich eine Blockade, ich sag dazu Filter, schließlich ist das ein Teil von mir, und deswegen nenne ich es lieber Filter, jedenfalls habe ich so etwas im Hirn, das überprüft eigenständig eindringende Geräusche und Laute, ob da was dabei ist, was im weiteren Sinne als wissenschaftlich erhärterter Tatbestand gelten kann, oder damit zu tun hat. Wenn das so ist, dann kommt es durch und wird gemerkt, erstens interessiert mich sowas immer, und zweitens kann ich sowas gut als Gesprächsattrappe bei Sozialkontakten verwenden. Wenn das aber etwas ist, wie "Was machen die Kinder?" oder "Jaja, mit so einem großen Hund muß man schon .....", dann fällt bei mir, ich vermute es ist knapp hinterm Innenohr, schlagartig so eine Art Tür zu, auf der steht "Was nicht alleine fressen und kacken kann, kommt mir nicht ins Haus!" und alles, was man mit so einem großen Hund schon anstellen muß, und was die Kinder so machen, oder wie's im Urlaub war, werd ich nie erfahren, da legt sich augenblicklich ein Rauschen drüber und in meinem Kopfinneren halten die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und Theorien eine kleine Parade ab, marschieren im Kreis, so ein bißl dickhüftig, und heften sich gegenseitig Orden an die Brust; "Experimentell nachgewiesen!" - Gratulation! - "Kühn, aber nicht unlogisch!"- weiter so! "Sollte jeder wissen, bevor er über das Weltall spricht!!" - Jaja. Und draußen wird gelebt. Da ist es dann nicht ganz so genau, da ist es dann auch nicht sooo wichtig. Da kann man das auch gar nicht soo genau sagen, und da kommt es eher irgendwie drauf an, da kann es ruhig schon einmal ein bißl sehr ungefähr sein; das ist halt das Leben! - Draußen. Und in meinem Kopf? Da ziehen die gesammelten Informationen mit klingendem Spiel rund um einen Tempel, auf dem in Normschrift steht "ERFAHRUNGEN SIND DAS, WAS MAN SICH DURCH BEOACHTUNG HÄTTE ERSPAREN KÖNNEN!" Und da wird versucht, Stolz aufkommen zu lassen. Aber das wird nur eine sehr geordnete Veranstaltung, bei der niemand aus seinem Wirkungskreis schreitet. Eventuell werden neue Kombinationen ausprobiert, Informationen aus der Zoologie überprüfen ihre Kompatibilität zu Erkenntnissen über Mechanik und üben einen gemeinsamen Absprung in ein Gespräch, wenn sich demnächst dazu Gelegenheit bietet, wenn ein neuer dabei ist, wird er herumgereicht und muß sich von anderen Informationen auf seine Stichhaltigkeit überprüfen lassen, man bestätigt einander, was nicht schon alles gewußt wird, und unter der Hand verknöchert mein Bewußtsein zu einem Gewußtsein. Nur der Satz "Wissen ist Macht" darf nicht mitspielen; der ist im Exil; - Durch Beobachtung widerlegt! Nicht, weil ich nicht mächtig bin, das wäre ja eher eine Erfahrung als eine Beobachtung. Nein; in der Welt, im wirklichen Leben; Wenn wirklich Wissen Macht ist, dann müßten doch an den mächtigsten Positionen die klügsten Menschen sitzen. Diese Annahme kollidiert ja nun ganz offensichtlich mit der normativen Kraft des Faktischen. So ist es nicht. Nur das Wissen darum, wie man zu Macht kommt, und wie man sie behält, bedeutet Macht. Wer alles weiß, aber nicht, wie man zu Macht kommt, wird jederzeit von jemandem ausgebootet werden, der weiß, wie das geht. Eine Erkenntnis, die in meinem Schädelinneren mit einigem Erstaunen, aber gefaßt zur Kenntnis genommen worden ist. Die Erkenntnisse aus den Naturwissenschaften waren da eigentlich noch am wenigsten berührt, die haben die Sache mit: "Soso." quittiert, sonst haben die sich damit nicht viel anzufangen gewußt. Die Informationen über den Gebrauch von Dingen wollten das zuerst nicht recht einsehen, haben das aber schließlich mit einem vielstimmigen, eher hemdsärmeligen: "Na, gut! Wenn´s so ist." dem Neuzugang gebührend Platz eingeräumt. Die mathematische Fraktion meines angesammelten Wissens spricht seit der Geschichte mit Kurt Gödel eigentlich überhaupt nicht mehr mit mir, aber ich vermute, daß sie mit Erkenntnissen, die andere Sätze widerlegen, nicht so gut können. Und aus den Reihen meiner geisteswissenschaftlichen Halbbildung glaube ich ein: "Na, geh!" gehört zu haben. Da hat sich die philosophische Abteilung ein bißchen aufgebläht; "Wissen ist nicht gleich Macht." Mit so einem Satz können die sich natürlich was anfangen. Die wissen ja nur was übers Wissen, die wissen ja sonst nicht so viel, und die sind auch sehr beunruhigt, wenn das Wissen etwas anderes soll als eben gewußt werden. Naja, Fraktionskämpfe, wenn man so will.

Sonst ist in meinem Kopf nicht aufregend viel los. Jetzt durch das Internet kommt immer wieder was rein, über Gebirgsbildung oder Schiffbau. - Schiffe sind ja für mich etwas ganz faszinierendes; Komplexe, geschlossene Systeme, die sich gezielt wo hin bewegen, wenn sie dort sind, gibt es einen engen, definierten Kontakt zur Außenwelt, und wenn das erledigt ist, machen sie sich wieder auf den Weg, und auf diesem Weg sind sie vorzugsweise alleine. Und. Ein Schiff ist seine eigene Grenze! - Das ist mir sehr nahe. Da bin ich irgendwie ganz zu Haus. - Das legt irgendwie den Gedanken nahe, daß es doch so etwas gibt, wie frühere Leben. Wenn das so ist, dann war ich wahrscheinlich Stückgutfrachter mit einem Namen so wie "Snörrdergjüld" ich weiß zwar nicht, was das heißt, aber es klingt einfach so, als hätte ich so geheißen, wenn ich in einer früheren Existenz ein Schiff gewesen wäre. Mein Heimathafen war sicherlich Spitzbergen oder Hammerfest oder so. Und ich bin auf der Nordroute gefahren. Was werd ich transportiert haben? - Maschinenteile könnt ich mir vorstellen. Eisbrecher wäre auch was; so, den Weg freimachen, ohne selbst wo hin zu müssen. Aber das ist ein bißchen zu krachend für mich. Nein, ich glaub, ich war einmal ein Stückgutfrachter, das klingt plausibel. Hab ich was erlebt? Ich glaub nichts besonderes; Nordroute halt. Wind und Wetter, wenn´s hoch herkommt, Starkwind und Schwerwetter. Sonst Dienst nach Plan, keine besonderen Vorkommnisse. Bin ich gesunken, oder bin ich einfach außer Dienst gestellt worden? Sinken ist für ein Schiff sicher romantisch, außer Dienst gestellt werden, und am Ende als Kilopreispartie im Altmetallkreislauf verschwinden ist unwürdig, aber es gibt keinen Gutschein für ein würdiges Ende. Es gibt ja Schiffe, die ein Ende finden als schwimmendes Kaffeehaus, in Hamburg! Ich meine, ich mag Hamburg, aber der Kaffee in Hamburg ist nichts, was öffentlich ausgeschenkt werden muß, wirklich nicht! Und da hat ein Schiff ein Leben lang eine Aufgabe gehabt, natürlich ist das keine Aufgabe, sondern lediglich eine Funktion, es ist auch nicht Leben, sondern ein in der Welt sein als dreidimensionale Mannigfaltigkeit, aber, bedenken Sie ich spreche von ehemaligen Artgenossen, da darf ich schon ein bißchen sentimental werden, da hat also ein Schiff ein Leben lang eine Aufgabe gehabt, und die auch erfüllt, und wenn es sich nicht mehr rechnet, wird es an der Hafenmauer angebunden, das sinnvolle Zusammenspiel der verschiedenen Teile wird aus dem Rumpf heraus gerissen, an die Stelle, wo einmal der Steuerstand war, kommt eine Bar, umzingelt von Tischen, die genausogut in einer Fußgängerzone stehen könnten, , und unförmige Touristen in kurzen Hosen trinken darauf schlechten Kaffee und kaufen sich häßliche Rettungsringmodelle und halten das womöglich noch für Seefahrerromantik! - das Schiff ist entkernt und wird sich nie mehr bewegen! Schrecklich! Untote Schiffe! Ich glaube, ich hab es da mit Verschrotten und Einschmelzen vergleichsweise noch gut erwischt: Wenn man sich ein bißchen Mühe gibt, kann man das sogar als eine Art Feuerbestattung sehen.

Stückgutfrachter. Und Anfang der Sechzigerjahre außer Dienst gestellt. Was werd ich bei der nächsten Runde? Wenn ich nicht aufpaß´ werd ich wahrscheinlich der Beistrich zwischen "Schon" und "Aber". Von den Größenverhältnissen her wäre das eine logische Entwicklung. Und sonst eigentlich auch. Also, die Richtung dorthin ist jedenfalls ziemlich eindeutig. Ich muß da einfach was machen, wenn ich mir vorstell, ich komm wieder dran, steh in den Startlöchern für mein nächstes Erdendasein, und auf einmal heißt es: "Da war noch eine Rechtschreibreform, den Beistrich zwischen Schon und Aber gibt´s nicht mehr, aber so, wie du beinander bist, also, ein Leerzeichen ist da schon noch dazwischen, das würd für dich ganz gut passen!" - Das möcht ich nicht! Nein! - Ich möchte das Rufzeichen nach "Na, geh!" werden. Das möcht ich werden. Ich möchte sagen: "Den Beistrich könnt´s euch am Bauch hau´n meinetwegen, auf dem bin ich schon ein halbes Leben herumgeritten, und alles, was ich gehabt hab, war recht, sonst hab ich nix davon gehabt. Und das nicht immer. Und Haltungsnoten für meine Argumentationsgirlanden hab ich bekommen, aber auch nur beruflich. Privat war das unerfreulich - ich vor allem. Ich will nicht dauernd denken, daß es staubt! Ich will auch einmal so denken, daß der Dreck spritzt, oder nachher Nudeln am Plafond picken oder Sterndlspucker vierstimmig zu singen anfangen oder so, daß die Farben auf der Mona Lisa Platz tauschen! So möchte ich denken! Oder gar nicht denken und schau´n, was dann passiert!" Das möcht ich sagen, wenn ich zur nächsten Runde antrete. Gar nicht denken, und schau´n, was dann passiert. -Genau!- Manchmal kann ich das schon.

Ich habe ja eine Beobachtung angestellt, die ist wirklich interessant, wegen gar nicht denken; das ist etwas, wenn man Grenzerfahrungen machen möchte, ohne den Körper ballistisch oder metabolistisch zu belasten. Da muß man nirgendwo runterspringen oder den Stoffwechsel mit Fremdsubstanzen attackieren, oder laufen, bis man durch körpereigene Morphinderivate substanzbeeinträchtigt ist, da geht es nicht um die Grenzen der eigenen Belastbarkeit. Dabei geht es um eine Erfahrung an einer anderen Grenze. Sie werden mir die "Erfahrung" nachsehen, aber ich freunde mich gerade damit an, daß auch ich Erfahrungen mache. Wenn man einschläft, ist man ja eine Zeit lang munter, und irgendwann schläft man dann. Das sind zwei Zustände, die grundsätzlich verschieden sind. Und zwischen diesen beiden Zuständen, zwischen Wachsein und Schlafen ist eine hauchdünne Trennschicht, durch die man gewöhnlich senkrecht durchrasselt, das bemerkt man gewöhnlich gar nicht. Wenn man es schafft, daß man durch diese Schicht nicht grad durchfällt wie ein Kübel Wasser durch aufgespanntes Seidenpapier, sondern, das kann man üben, daß man sich dieser Schicht in einem eher flachen Winkel nähert, und wenn man drinnen ist, dort bleibt, - dazu darf man aber nicht munter sein, sonst ist man ja wieder aus der Schicht heraußen, das geht eben nur ohne Denken, - wenn man es schafft, daß man in dieser Grenze zwischen eben diesen zwei Zuständen bleibt, da passieren Sachen, das ist also wirklich gut! - Das ist wirklich gut! Da ist alles sehr deutlich, aber nicht so, wie wir das kennen, aus dem wirklichen Leben oder aus Träumen, das ist auch nicht so halbweich dazwischen, das ist ganz was anderes. Sehr deutlich und, das muß man allerdings auch üben, steuerbar. Das ist nicht wie Träumen, nur anders, das ist anders. Und da stimmt auch alles, da ist alles richtig, und das Tolle ist, es ist aber nicht wichtig, daß alles stimmt; das stimmt schon so. Naturgesetze, wie wir sie aus der wirklichen Welt kennen oder in Träumen manchmal aufheben, gibt es da nicht. Also, ich weiß ja jetzt nicht, wie Sie im Detail träumen, aber ich nehme einmal an, daß in Ihren Träumen grundsätzlich so etwas wie Naturgesetze wie zum Beispiel die Schwerkraft vorkommen, auch wenn sie manchmal außer Kraft gesetzt werden. Wenn ich zum Beispiel träume, daß ich unter Wasser atmen kann, dann geh ich im Traum auch nicht vorher und lasse mich auf Kiemenatmung umoperieren, aber ich kann in dem Traum nur unter Wasser atmen, weil ich einige Regeln der Biologie außer Acht lasse. Das darf man ja auch im Traum. Solche Regeln, die man extra außer Kraft setzen muß, damit die wahnsinnigsten Dinge passieren, gibt es in diesem Bereich zwischen Wachsein und Schlafen nicht, das ist eine ganz wunderbare Welt. So Sachen wie "Bedeutung", was im Wachzustand und im Traum ein abstrakter Begriff ist und immer an Dinge oder Ereignisse gebunden ist, "Bedeutung" gibt es in diesem Zwischenreich freilaufend, die gibt es dort einfach so, ohne, daß irgendjemand oder irgendetwas diese Bedeutung hat; die läuft dort einfach so herum, und wenn man will, kann man sich mit ihr unterhalten. "Alles" gibt es dort auch als Ton oder als Farbe. "Alles" als Ton sollte man einmal gehört haben! Was dort auch so beeindruckend ist, ist das Tempo, das möglich ist. Da sind Geschwindigkeiten möglich, daß man sich in diesem Bereich nur ganz kurz aufhalten muß, und kann irrsinnig viel erleben. Da genügen ein paar Augenblicke, und man ist durch ein ganzes Leben. - Es muß ja nicht das eigene sein. Manchmal ist es das schon, und geht dann auf mehrere Arten aus, da ist man dann mehrere auf einmal, und jeder davon ist man selbst, aber ungeteilt, also nicht drei Drittel ich, sondern drei ganze, und jeder lebt sein eigenes Leben, das ist sehr interessant. Meistens geht man aber durch Leben, die von einer Art sind, daß wir im Traum darauf mit Unverständnis reagieren würden. Aber dort geht das. Es ist auch toll, wie weit diese hauchdünne Schicht ist, wenn man einmal drinnen ist. Da öffnen sich Räume, die müssen mehr als drei oder vier Dimensionen haben, die passen auch ineinander, aber nicht so, wie wenn man ein Wohnmobil in eine Garage schiebt, sondern der Raum, nicht so wie Kofferraum oder Schlafraum, sondern "Raum" so wie Weltraum, ist gleichzeitig auch wo anders und dort ist ein anderer Raum, und die sind ineinander. Das ist natürlich schwer vorstellbar, weil wo was ist, kann nichts anderes sein, schon gar kein Raum. Das ist jetzt ein triviales Bild, aber ich kann das nicht besser erklären; Stellen Sie sich vor, Paris, London und Rom stehen gleichzeitig auf dem selben Flecken Erde, nicht nebeneinander oder übereinander, sondern ineinander, jede Stadt ist vollständig und komplett, kein Haus ist schmäler, keine Straße breiter, alles so, wie es ist, und funktioniert wie sonst auch, nur eben, daß alle drei Städte gleichzeitig in dem selben Stück Raum sind. Außerdem ist "gleichzeitig" nicht das Wort für das, was dort gleichzeitig ist, das muß man selbst erlebt haben.

Wenn die Urlaubskasse vielleicht nicht so prall ist, oder Ihnen der Arzt nahegelegt hat, jedweden Drogenkonsum drastisch einzuschränken, schau´n Sie dort einmal hinein, das ist wirklich gut.

Es ist schade, daß man diesen Zustand nicht herübernehmen kann ins Wachsein, das wäre toll, wenn man das könnte, aber es kann nicht gehen, weil dieser Zustand eben zwischen Wachsein und Schlafen liegt, und eben nicht im Wachsein. Die Oberfläche ist immer außen. So - sag´ ich einmal - Grenzflächenphänomene, das ist zwar jetzt aus der Sicht der naturwissenschaftlichen Terminologie ein rüder Mißbrauch dieses Wortes, weil mit "Grenzflächenphänomen" in der Physik zum Beispiel etwas ganz anderes gemeint ist, das erklär ich aber jetzt nicht, ...... Also solche - ich nenn das jetzt einfach so! - solche Grenzflächenphänomene sind immer interessant. Ich glaube ja, das gibt es in vielen Bereichen, daß wo das eine aufgehört hat, und das andere noch nicht angefangen, daß dort dazwischen Dinge möglich sind, die es im einen und im anderen nicht gibt.

Zum Beispiel zwischen jemanden noch nicht kennen und das erste Mal ansprechen, ich glaube, daß in diesem Zwischenbereich manchmal die kuriosesten Dinge möglich sind. Daß da so ein einfaches "Ja - Nein"-Entscheidungsbäumchen in Sekundenbruchteilen kaskadenartig eine Unzahl von Ästen bekommt. Das muß natürlich nicht sein; beherzte Gemüter, oder Menschen, die an der Stelle, wo das "Nein" normalerweise empfindlich einschlägt, eine lymbische Hornhaut haben, nehmen diesen Zwischenbereich wahrscheinlich gar nicht so wahr. Das Entscheidungsbäumchen hat dann halt nur zwei dürre Astln, und davon ist eines so gut, wie das andere; "Wenn´s is´, is´, wenn´s nicht is´, is´ halt nicht. Was soll sein!" Wenn man das so handhaben kann, braucht man darauf genausowenig stolz zu sein, wie wenn man in dem Atemholen für "Servus!...." die gesamte abendländische Belletristik aus der Sparte "Liebes- und Problemromane" durchlebt. Da sind halt alle ein bisserl anders. Aber, wenn man für diesen Bereich empfänglich ist - ich bin zum Beispiel, glaube ich, ziemlich knapp am Autismus vorbeigeschrammt, und ich weiß, wovon ich rede, wenn ich sag: "Jemanden noch nicht oder eben schon das erste Mal angesprochen haben, sind zwei grundlegend verschiedene Zustände, und zwischen diesen Zuständen liegt ein Bereich, der ist sehr interessant!" - Dieser Bereich, wenn man sich ein Herz schon genommen hat und versucht, es in der Hand zu behalten, weil es so wirr hüpft, und der nächste Schritt, der logische, oder auch unlogische nächste Schritt, jedenfalls, der nächste Schritt ist jetzt, so etwas wie "Hallo!" zu sagen. - Oder besser "Servus!" Oder so etwas. "Salvo!" sollte jetzt jedenfalls nicht dabei rauskommen. Weil das wirkt sicher blöd. Und das interessante an diesem Bereich ist, daß er manchmal unheimlich breit werden kann, also eigentlich lang. Und es gibt da eine überkritische Länge, wenn die erreicht ist, wird der Zustand unendlich lang. Ab da ist das dann nämlich kein Zwischenbereich zwischen jemanden noch nicht, und jemanden schon das erste Mal angesprochen haben, da ist es dann nur mehr ein Nachfolgebereich von jemanden nicht angesprochen haben. Da lösen sich aber die Grenzen irgendwann auf, zwischen jemanden nicht angesprochen haben und jemanden ansprechen hätten wollen. Das rinnt dann so zsaumm, und es bleibt "nicht.". Aber solange man in der unterkritischen Länge ist, ist das ein sehr bemerkenswerter Zustand. Ich kann mir vorstellen, daß, wenn man es nach drüben schafft, daß das dann etwas ist, worüber man mit dem dann doch angesprochenen Menschen redet. Aber nicht gleich; das ist glaube ich, ungeschickt:

"Servus! Mir ist gerade wahnsinnig viel durch den Kopf gegangen. - Wenn du die Antwort nicht hören willst, darfst du die Frage nicht stellen! - Der Film ist nicht sehr gut, das weiß ich noch, aber nicht wie er heißt, aber das Zitat ist gut. War was mit Korruption. Ich sollte nicht so viel Fernsehen. Offenbar sind lange Achillessehnen etwas, was den Jäger im Mann weckt, wahrscheinlich, weil das ausschaut wie Flucht, und was flüchtet, muß eine Beute sein. Gegessen hab ich aber schon, außerdem geht´s mir ja nicht darum. Gottseidank ess ich nicht beim Fernsehen, da wäre es Zeit, daß ich mir zwei Sachen abgewöhne, und was ich sagen werde, müßt ich mir, wenn ich soviel essen wie Fernsehen würde, gleich garnicht überlegen. Ich glaube, daß Menschen, die sich was abgewöhnt haben, einander erkennen. Nüchternheit als Ersatzdroge sendet vielleicht auch Signalstoffe aus. Askesepheromone. Hoffentlich riecht man die nicht an mir. - Salvo! - wär vielleicht ganz lustig, aber wenn ich nicht erklär, wo das herkommt, klingt es sicher blöd. - Servus - heißt eigentlich - ich bin dein Diener. - Das ist eigentlich auch ziemlich blöd. Hat eine Gesellschaft eine Maximalzuladung an Blödheit, an die sie sich gewöhnen kann? Wenn ja, was passiert, wenn der Grenzwert überschritten ist? Formatiert sich die morphogenetische Festplatte dann selbst? Wieso sind geisteswissenschaftliche Metaphern immer der Stand der technischen Errungenschaften? Wenn ich jetzt nicht bald was sag, geht sie sicher. Na, gehen wird sie nicht, unüberbrückbare Entfernungen lassen sich ja auf engstem Raum herstellen, wobei ich ja gerade die Entfernung herstelle. Nein, ich stell sie nicht her, aber ich stell sie auch nicht weg. Eine Entfernung wegstellen. Stört die dann jemanden anderen, wenn er dort vorbeikommt? Eine tragbare Entfernung ist eigentlich ein eindimensionales tragbares Loch. Beim tragbaren Loch müßte man die Griffe außen ankleben, weil wenn die angeschraubt sind, wird das Loch durch die Bohrlöcher undicht und rinnt aus; da wird dann die ganze Umgebung schwammig. Na, wurscht! - Ist mir gerade durch den Kopf gegangen. Wie heißt du?"

- ist als Eröffnung wahrscheinlich suboptimal. Aber, wenn sowas funktioniert, kann das eine sehr interessante Bekanntschaft werden. Ich schlage vor, daß Sie sich in der Pause jemanden suchen, den Sie nicht kennen, aber gerne kennenlernen wollen, und sich fest vornehmen, diese Person mit gutem Grund anzusprechen, aber es dann nicht tun. Nicht, weil ich Ihnen das nicht vergönne, aber es geht um eben diesen Zwischenbereich, ich möchte, daß sie den ein bißchen näher oder bewußter kennenlernen. Außerdem bin ich auch noch nicht so weit, ich hab mich von mir noch nicht fertig verabschiedet, und ich möchte nicht nach der Pause der Einzige sein, der noch in einem Übergang ist, und alle andern sind schon drüben und warten ein bisserl ungeduldig. Wie am Schulwandertag, wenn man die interessantesten Sachen sieht, im Wasser, da gibt's so kleine Fische, Spenadler haben wir dazu gesagt, so ganz dünne, kleine Fische, ich weiß nicht ob die noch wachsen, oder ob die so klein bleiben, ich habs nicht herausgefunden, ich wollte auch nicht das biologische Ende dieser Fische abwarten, damit ich seh, ob die noch wachsen, ich wollt sie mir nur anschauen, aber die andern wollten Fußballspielen, und waren schon weiter und haben dann gesagt, daß man auf mich immer warten muß, und daß möchte ich nicht mehr. Das ist auch etwas aus meiner Vergangenheit, wovon ich mich verabschieden muß, die wehmütige Erinnerung an das Nichtgehabte. Die bremst ein bisserl. Das ist so eine verschlafene Rechtfertigung dafür, daß man halt so ist, wie man ist; das hängt einem so unterernährt und fett im Gewebe und läßt einen nicht weiterkommen. Momentan, oder in der Pause dann werden eigentlich Sie davon gebremst, weil ich Sie ersuche, aufregende neue Bekanntschaften erst später zu machen, aber ich trau Ihnen zu, daß Sie genügend sittliche Reife aufbringen, um dieses kleine Experiment mitzumachen. Also; wenn dann das Saallicht angeht, blicken Sie sich so unauffällig es geht um, ob Ihnen unter den Anwesenden jemand auffällt, den Sie nicht kennen, aber gerne kennenlernen würden. Überlegen Sie sich, was genau Sie an dieser Person gerne näher kennenlernen würden; die Stimme, die Augen, die Grundlage ihrer Entscheidungen, die Wohnung, die Zweifel, ihre Fragen, ihre Antworten, die Anatomie, oder vielleicht einfach "den ganzen Menschen." Aber nicht flunkern. Stellen Sie sich vor, ob, diese Person näher zu kennen, Ihren Alltag beeinflussen würde, aber ohne zu werten. Nur so; wäre das eine Veränderung oder eigentlich nicht? Fassen Sie den festen Vorsatz, diese Person anzusprechen, überlegen Sie sich dabei aber nicht, wie Sie das tun werden, sondern nehmen Sie sich nur vor, daß Sie es tun werden, und zwar gleich, aber verschieben Sie es auf nach der Vorstellung. Währenddessen führen Sie ganz gewöhnliche Pausengespräche mit Menschen, die Sie kennen. Das würde der Pause das unterbrechende Element nehmen, und wir könnten den Übergangscharakter beibehalten und unbeeinflußt durch die Pause hinüber nehmen in die zweite Hälfte.

Pause

Ich will jetzt einfach glauben, daß Sie mehrheitlich unser kleines Experiment mitgemacht haben. Wenn Sie als Einzelperson vielleicht gerade ausgelassen haben, weil Sie nicht an sich halten konnten und gleich drauf loserobern haben müssen, oder niemanden gefunden haben, den Sie ansprechen hätten wollen, das ist beides nicht weiter schlimm; Sie können diese kleine Scharte jetzt wieder auswetzen, indem Sie auch glauben, daß die anderen sich vorgenommen haben, jemanden anzusprechen, und das verschoben haben. Wenn genügend Menschen etwas bestimmtes glauben, dann schaffen Sie damit eine Realität, im Sinne von Wirklichkeit, weil dann etwas wirkt; wenn genügend Menschen an Gott glauben, dann schaffen sie damit ja nicht Gott, sondern sie schaffen damit Religion. Und die ist als wirkmächtiges Phänomen aus unserer Welt ja nicht wegzudiskutieren. Die Realität, die in unserem Fall entsteht, wenn jeder von Ihnen glaubt, daß die Anderen alle sich an unserem kleinen Experiment beteiligt haben, besteht also natürlich nicht darin, daß es tatsächlich so passiert ist, sondern diese Realität besteht einfach in der Stimmung, die entsteht, wenn man in einer Gruppe ist, in der jeder glaubt, alle Anwesenden haben sich mit dem Ansprechen von ihnen unbekannten, aber interessanten Personen zurückgehalten, da haben sich alle etwas aufgehoben, damit die Stimmung, von der vor der Pause die Rede war, über die Pause hinweg erhalten bleibt. Ich glaube, das haben wir hingekriegt. Wenn Sie zumindest das jetzt auch glauben, dann ist unser kleines Experiment gelungen.

Der Übergang ist ja in vielen Bereichen ein hochinteressantes Terrain. Zum Beispiel mit dem letzten Zeugnis in der Hand aus der Schule gehen. Das hat was! Die Schule liegt hinter einem, das wirkliche Leben vor einem, und man hat mit beidem heute und jetzt bitte nichts zu tun! Das ist eine ganz besondere Art von Gegenwart. Die Gegenwart trennt ja gewöhnlich die Vergangenheit von der Zukunft. Klar, das macht die so den ganzen Tag, und vergeht dabei, wird zu Vergangenheit, und aus der Zukunft rückt das nächste Stückerl nach, und irgendwann weiß man von der vergangenen Gegenwart nicht mehr, daß sie einmal die Vergangenheit von der Zukunft getrennt hat. So ist das mit der Gegenwart. Dieser Nachmittag aber, wenn die Schule Vergangenheit ist, und das Leben die Zukunft, das ist eine Qualität von Gegenwart, von der merkt man sich noch lange, daß das genau zwischen Vergangenheit und Zukunft war. Das ist wieder so ein schmaler Spalt zwischen zwei unterschiedlichen Blöcken, in dem sehr viel Platz ist. Zumindest für ein enormes Gefühl von Freiheit.

Der Klassiker unter den Zwischenbereichsphänomenen ist natürlich das, was man in der Medizin "Nahtodeserfahrung " nennt. Da gibt es ja viele Berichte darüber, und die sind fast alle gleich; Die Berichte aus dem Bereich zwischen Leben und Tod, wenn das Herz aufgehört hat zu schlagen, und der Mensch eigentlich tot sein müßte, wenn jemand aus diesem Zustand wieder zurück ins Leben kommt, dann beschreiben die meisten dieser Menschen, daß sie die Szenerie, in der ihr Körper liegt, von oben sehen, und dann durch einen Tunnel einem Licht entgegen schweben. Und das wird im allgemeinen als sehr schön beschrieben. Und wenn alle, die das schon einmal erlebt haben, das ziemlich gleich schildern, dann wird das schon so sein! Wenn man sich mit dem Gedanken an den Tod schon abfinden muß, dann ist das doch eine tröstliche Vorstellung.

Wäre da nicht die Wissenschaft. "Moment! Wie ist das genau?" Um es kurz zu machen; es läuft da ein Standardprotokoll ab, das in jedem Hirn angelegt ist, der Geist schwebt nicht über dem eigenen Körper und sieht ihn da liegen und eventuell die Menschen, wenn sie drum herumstehen, das bildet sich das Hirn nur ein. Das Hirn weiß nämlich, wie Dinge aus einer anderen Perspektive aussehen und nimmt diese Perspektive - aber sozusagen nur in der Vorstellung - ein. Die haben nämlich - pikanterweise - in einem Operationssaal auf einem Kasten etwas hingelegt, was ein darüber Schwebender hätte sehen müssen; einen Balken mit einer Leuchtschrift. Ist nicht zu übersehen. Auch nicht als Geist; wenn man über der Szenerie schwebt, und all das sieht, was die Menschen beschreiben, daß sie es von oben sehen, dann muß man die Leuchtschrift auch sehen. Und keiner der Patienten, die während einer Operation kurz drüben waren und wieder gekommen sind, hat irgend etwas auf diesem Kasten liegen gesehen, obwohl alle gesagt haben, daß sie über der gesamten Szenerie geschwebt sind und alles von oben gesehen haben. Das ist zwar fürs erste ein bisserl enttäuschend, daß man da nicht wirklich in den Himmel fährt, sondern daß das nur Bilder sind, die das Hirn in einem bestimmten Zustand selbst erzeugt, und ich würde Ihnen das jetzt auch nicht erzählen, wenn darin nicht etwas grundsätzlich tröstliches wäre.

Nämlich: Daß es in unserem Hirn angelegt ist, daß wir manchmal in extremen Situationen Schmerz nicht empfinden, verschafft uns einen Vorteil, von dem wir momentan nicht so viel haben, aber unsere Ahnen, nachdem sie vom Baum heruntergestiegen waren haben das schon brauchen können, daß, wenn sie von irgendwelchen Freßfeinden attackiert worden sind, trotzdem noch flüchten haben können, und nicht mit "Pfuh, des tut ja weh!" liegengeblieben sind. Wahrscheinlich sind ja ein paar dabeigewesen, bei denen das nicht so funktioniert hat, aber die sind eben liegen geblieben und nicht geflüchtet, wurden aufgefressen und haben auch keine Familie gegründet, der sie das vererben haben können. Also ist Schmerzunempfindlichkeit im Schock etwas, was sinnvollerweise weitervererbt worden ist, und so funktioniert unser Hirn heute auch noch. Aber, daß das Hirn dem, der gerade am Sterben ist, vorspielt, jetzt wird in den Himmel gefahren! Das hilft nicht beim Jagen und das hilft nicht beim Flüchten, das hilft auch nicht bei der Partnersuche, weil, wenn man das erlebt, ist es mit Partnersuche und allem anderen schon vorbei. Das kann man auch erst seit einigen Jahren jemandem erzählen, vor der Apparatemedizin war der, der das erlebt hat, unwiderruflich weg; jahrtausendelang hat das niemand jemandem erzählen können. Als Trost für die anderen Das verschafft keinen Selektionsvorteil. Davon hat die Gattung als Ganzes nichts. Das ist aus der Evolution heraus nicht zu erklären. Das hilft bei gar nichts. Das hilft nur dem, der grad dran ist, beim Sterben. Das ist ein Geschenk. Man kann sagen: Offenbar schaut da jemand auf uns!

Also wissen tu ich es nicht, aber wenn die Wissenschaft einem schon zuerst Hoffnung macht, indem sie Menschen aus dem Übergang zum Tod zurückholt, und die dann ganz feine Sachen von dort erzählen, und dann kommt wieder die Wissenschaft und sagt: "Hoffnung ist uns zu ungenau, das wollen wir jetzt genau wissen!", womit sie sich ja eigentlich ins eigene Halstüchl scheißen, weil, was ich weiß, kann ich nicht hoffen, und das, was nach dem Leben kommt, ist ja doch etwas, wo man gern etwas zu hoffen hat, wenn da also die Wissenschaft sagt: "Papperlapapp! Alles Larifari, reine Körperchemie! Die Himmelfahrt ist praktisch nur ein Ausschaltknacks im Hirn! Mehr ist da nicht dahinter!", dann freut es mich, wenn man aus harten, wissenschaftlichen Fakten und logischer Schlußfolgerung wieder einen Grund für Hoffnung herstellen kann! Wie gesagt, ich weiß nicht, ob wirklich wer auf uns schaut, aber hoffen kann ich.

Ich bin ja neugierig, wie das wird, mit mir. Also nicht, nach dem Umstehen, da bin ich auch neugierig, aber das ist jetzt nicht das Thema. Weil ich ja gerade dabei bin, mich zu verabschieden; nicht von Ihnen, dieser Abschied hat mit Ihnen nur insoweit zu tun, als daß Sie ihn von der Seite betrachten können. "Die Perspektive liegt immer im Auge des Betrachters!" Gleichviel. Ich verabschiede mich von der Vergangenheit und entlasse mich in die Zukunft. Es gibt Dinge, die muß man nicht ein ganzes Leben lang Bucklkraxn tragen. Als Einzelner hat man das Recht dazu, einmal Stand zu machen, und was vergangen ist, vergangen sein zu lassen. Als Gesellschaft geht das nicht so leicht, das ist schon klar. Da gibt´s immer welche, die sagen: "Was vergangen ist, ist vorbei, das vergessen wir einfach, wenn´s vergessen ist, ist es so gut wie nicht passiert, da war überhaupt nix, und genau das machen wir jetzt wieder!" Eine Gesellschaft kann sich das nicht leisten. Aber als Einzelperson im Vollbesitz aller Sinne darf man sich schon trennen von
(Gespielt, BUB, ungefähr zehn, aber nicht Willi Eder aus "...konzentrieren...")

BUB: Die andern haben nie mit mir spielen wollen!
ICH (Ins Publikum) : Was ja nur eine halbe Wahrheit ist, (zu BUB) Die haben dich nur einmal nicht mitspielen lassen. Ab dann hast du mit niemandem mehr spielen wollen.
BUB: Spielen ist blöd!
ICH: Das weiß ich nicht. Ich hab schon sehr lange nicht gespielt.
BUB: Was wirst du jetzt machen?
ICH: Vielleicht wird ich etwas spielen.
BUB: (eifersüchtig) Mit wem?!
ICH: Ich weiß es nicht, ich werde jemanden fragen, ob er mit mir spielen will.
BUB: Und wenn der nicht mit dir spielen will?
ICH: Dann wird ich jemand anderen fragen. Die Menschen sind verschieden.
BUB: Ich weiß!
ICH: Das weißt du eben nicht. Du weißt nur, daß du verschieden bist, von den anderen Menschen weißt du eigentlich nichts.
BUB: Du weißt, was die Chinesen sagen.
ICH: Das sind ziemlich viele Menschen, die sagen bestimmt eine Menge.
BUB: Du weißt genau, was ich meine!
ICH: Ja: Beim Spielen und in Todesangst erkennst du deinen Nächsten.
BUB: Und bei uns kommt da noch der Gschnas dazu. Interessiert dich das wirklich?
ICH: Ich werde niemand in Todesangst versetzen.
BUB: (schaut lauern verunsichert)
ICH: Ich wird auch auf keinen Gschnas gehen! Ich möchte nur ..... Weiß ich nicht, Trallalla.
BUB: (schweigt offen bar neben mir)
ICH: Was?
BUB: Weißt du, was ich mir alles gemerkt hab?
ICH: Natürlich weiß ich das, ich hab eine ganze Gehirnhälfte voll davon. Die andere Gehirnhälfte hätt ich als Organspende verscherbeln können, das wär dir nicht einmal aufgefallen.
BUB: Du weißt aber schon, daß dir das durch deine Jugend geholfen hat!
ICH: Dir! Alles, was ich davon hab, sind keine Spielschulden.
BUB: Ha ha.
ICH: Entschuldigung.
BUB (Nach einer kleinen Pause): Und was wird jetzt aus mir?
ICH: Du bleibst meine Vergangenheit. Ich kann dich nicht dauern mitnehmen.
BUB: Wieso?
ICH: Ich zeig dir was. Delphine sind die besseren Menschen. Die haben sich von uns zurückgezogen und leben jetzt ein friedvolleres Leben. Was sagst du dazu?
BUB: Das ist ein kompletter Schwachsinn!
ICH: Das stimmt, aber du hättest jetzt nur "Na, geh!" sagen sollen.
BUB: Wieso?
ICH: Weil es netter ist. Und weil es wurscht ist, wie das mit den Delphinen wirklich ist, wenn dir jemand seine Hoffnungen erzählen will.
BUB: Das kann er ja.
ICH: Er wird es aber nicht tun, wenn du ihm den ersten, zugegebenermaßen weit hergeholten Ansatz seiner Utopien so zerhäckselst.
BUB: Wenn´s aber doch stimmt!
ICH: Wenn´s im Moment aber doch wurscht ist. Kannst du dir vorstellen, daß du auf so einen Satz oder einen anderen solchen Satz, und wir kenne beide tausende davon, kannst du dir vorstellen, daß du da einfach nur "Na, geh!" sagst, und zuhörst, was man dir erzählt?
BUB: (von dem Gedanken leicht angewidert): Sicher nicht!
ICH: Siehst du, und deshalb bleibst du hier. Ich hab die linke Hirnhäfte ja noch voll mit dem, was du mir gemerkt hast, das vergess ich schon nicht. Ich möchte nur ein bißchen ......... leben. ..............Hm?
BUB: Und du gehst auf kein Gschnas?
ICH: Nein, sicher nicht. Versprochen.
BUB: Na, gut. Dann geh!

Die Halsstarrigkeit und das unbedingte Beharren auf "So ist es, alles andere ist widersinnig!" ist vorbei, hinter mir bemüht sich auch gerade eine sehr große Türe, würdevoll ins Schloß zu fallen, aber ich muß mir das nicht anschauen, damit ich weiß, daß das von außen eigentlich nicht sehr würdevoll, sondern nur schmallippig ausschaut, ich hab das Zeugnis in der Hand, die Noten sind, wie sie sind, daran kann man nichts ändern, und ob die im wirklichen Leben überhaupt eine Bedeutung haben, ist eher unwahrscheinlich. Und jetzt kann ich mir überlegen, was das werden soll. Spannend!

Alle, die in dem wirklichen Leben stehen, das nach der Schule kommt, werden wissen, daß dieses wirkliche Leben bei weitem nicht das hält, was man sich an dem Nachmittag, an dem man die Schule endgültig hinter sich hat, davon verspricht; zum Beispiel funktioniert die Mathematik beeindruckend exakt, wenn man den Kontostand und die Kontoauszüge vergleicht "Des gibt's oba jetzt net! Do miassn doch zumindest no,..... aso, genau,.... na, Schas!" Nach vielen Jahren kann es auch vorkommen, wenn der Partner über Gebühr zugenommen hat, daß zum Beispiel an Wochenenden in der Nähe dieses schweren Körpers die Zeit auf einmal sehr langsam vergeht, das ist dann auch nicht mit der Relativitätstheorie zu erklären. Der Gedanke, daß Außerirdische das Leben auf unseren Planeten gebracht haben, läßt einen manchmal vermuten, daß wir eine intergalaktische Problemgutdeponie sind. Obwohl es natürlich auch schöne Momente gibt, aber so oft läßt der Schmerz ja auch nicht nach. Das wirkliche Leben ist in den seltensten Fällen das, was man sich davon erhofft, wenn man es noch vor sich hat. Aber ich bin noch nicht drüben, ich möchte diesen Spalt jetzt auskosten! Ich möchte jetzt drauflosphantasieren, was das Zeug so hält!

Ich könnte Geschichtsbücher schreiben. Über Babelusien. Schönes Wort. Babelusien. Die Heimat der Dampfamsel. Die Dampfamsel ist ein Tiefseenager und hat einen Balzruf, der klingt, wie das Nachsaisonkurorchester von Bad Schlüthen mit doppelt besetzter zweiter Geige. Die babelusische Opernliteratur umfaßt elf Takte und einen unbemannten Vierzeiler. Zwei dieser elf Takte sind dem Epiphanten gewidmet, ohne näher darauf einzugehen, was der Epiphant eigentlich ist. Aber durch die hohe Werktreue babelusischer Opernaufführungen ist vom Epiphant zumindest bekannt, daß er etwas mit Fis- Moll mit großer Dezime zu tun hat. Große gesellschaftliche Ereignisse werden in Babelusien begangen, indem alle zweitgeborenen Kinder, die sich in einem ungeraden Lebensjahr befinden, in den Wald gehen und dort das Verschwinden der Springtanne beklagen, bis der erste von ihnen aufs Klo muß; dann ist wieder Schluß mit Feiern. Alles, was durch elf teilbar ist, gilt in Babelusien als besonders vornehm und wird wöchentlich mit Drüsenfett der Ruderfußtöle eingerieben. So ist das in Babelusien. Sag ich einmal.

Vielleicht werd ich auch Leute ansprechen und mir Ihre Namen merken, wenn sie sich vorstellen. Das wär auch was Neues für mich. Immerhin hab ich eine ganze ziemlich unbenützte Gehirnhälfte dafür übrig. Das Gehirn, das Großhirn zumindest, besteht nämlich aus zwei Hälften, das ist auch klar, weil für drei Hälften ist mathematisch kein Platz, und jetzt tun wir bitte nicht die Flöhe husten hören, daß das so noch nicht heraußen ist, mit der Mathematik, das ist eben so, daß das Großhirn aus zwei Hälften besteht, vielleicht wissen Sie das ja auch schon, dann dürfen Sie sich jetzt eine Minute lang still beschäftigen, und ein Butterbrot essen, aber leserlich kauen, die andern hören jetzt bitte zu. - Vielleicht wird ich auch Lehrer, da muß ich noch ein bißchen umeinanderdenken. - Also: Die Trennlinie zwischen den Gehirnhälfte verläuft anatomisch axial, das heißt, es gibt eine rechte und eine linke Gehirnhälfte. Was allerdings nicht als mit politischen Positionen zu tun hat, diese Metapher ist da schwer rauszukriegen, vernünftiger wäre es natürlich, die Rechten säßen nicht rechts, sondern dort, wo sie hingehören als Flegel von der letzten Bank; Aber gut, das hat uns die Französische Revolution eingebrockt, daß die Rechten rechts im Parlament sitzen, und nicht am letzten Rang, wo auch Ihre Ideen beheimatet sind, das hat aber mit den zwei Gehirnhälften wie gesagt, nichts zu tun, da ist halt eine auf der einen Körperhälfte und die andere auf der anderen. Was den sozialen Umgang angeht, kann man Die Grenze, die die beiden Hirnhälften und ihre Zuständigkeitsbereiche teilt, zwischen Innen und Außen ansiedeln. In der linken Gehirnhälfte wird zum Beispiel die Sprache gehortet und administriert, aber in der rechten Gehirnhälfte werden daraus erst Geschichten. Und der Impuls, diese Geschichten dann jemandem zu erzählen, kommt auch von dort. Und wenn man eine Geschichte hört, dann wird sie zwar mit der linken Gehirnhälfte verstanden, aber empfunden wird sie in der anderen Gehirnhälfte. Die hat dafür bei Gebrauchsanleitungen frei. Und eben diese Gehirnhälfte ist bei mir, kann man sagen, noch so gut wie originalverpackt. Und da hab ich jetzt viel Platz, mich mit Menschen bekannt zu machen und mir ihre Namen zu merken. Weil ich nehme einmal an, daß das da geschieht, sich Namen von anderen merken. Ich weiß nicht, vielleicht haben das andere auch, wenn sich mir jemand vorstellt oder wenn er vorgestellt wird, wenn der Name mehr als eine Silbe hat, dann hab ich den Namen nie als ganzes im Gedächtnis. "Franz" oder "Fritz" merk ich mir zumindest so lange, wie es braucht, diesen Namen auszusprechen. Aber, ob jemand "Siegfried" oder "Wilfried" heißt, weiß ich, wenn ich das "-fried" hör, schon nicht mehr. Und wenn wir den Handschlag beendet haben, weiß ich von meinem neuen Bekannten nur mehr, was für eine Uhr er trägt, und ob er vielleicht des Friseur wechseln sollte. Und das kann ich ja jetzt ändern, wenn die rechte Gehirnhälfte fertig freigeschaltet ist. Das kann ich mir auch nett vorstellen; "Servus Yvonne-Jacqueline, was machen die Kinder?" Na, da wird ich vielleicht noch ein bißerl brauchen, aber so als Richtung ist das vielleicht gar nicht so schlecht.

Ich könnte mich ja auch handwerklich betätigen und einen Teppich weben, nach Motiven des gleichnamigen Küchengerätes von Ruggiero Sonsensn. Den Sosensn müßt ich dazu halt vorher erst erfinden, aber das geht ja. Geboren als Sohn von - wurscht! - Yvonne-Jacqueline und Theophrastus Sonsen, das letzte "sn" besagt eben, daß er der Sohn ist, in Kulkma, der Zentralprovinz von .... Babelusien, erreicht er bereits mit vierundzwanzig Jahren ein entsprechendes Alter. Schon sehr früh beschäftigt er sich mit Kaffetrinken und geht dann später unter die Dusche. Manchmal auch in anderer Reihenfolge, das hängt, wie er sagt, davon ab. Die Versuche Sonsensns, die Springtanne wieder in Babelusien anzusiedeln, werden vom Hochadel, der auf große gesellschaftliche Ereignisse nicht verzichten will, unter Androhung von Stubenarrest untersagt. Enttäuscht schließt sich Ruggiero Sonsensn einem Wanderzirkus an, wird dort aber bereits nach achthundertfünfzig Metern wieder hinausgeworfen, weil die Nummer mit der Springflut und dem Feuerreifen nicht gelingen will. Wieder daheim wendet sich Sonsensn dem Studium der unpraktischen Philosophie zu und kommt dabei zu dem Schluß, daß Erkenntnis sich selbst ausschließt, weil sie immer zwischen dem Betrachter und dem Objekt steht, und somit den Blick auf das Objekt verstellt. In den darauffolgenden Jahren entwickelt Sosensn einige Theorien über das Sammeln von Zahnstein, über diese Theorien ist aber nur bekannt, daß er sie in Knotenschrift festgehalten hat. Jedenfalls gibt es acht Scheunen voll davon. Als es in Babelusien schließlich keinen unverknoteten Bindfaden mehr gibt, wendet sich Ruggiero Sosensn heiteren Dingen zu und erfindet ein Gerät, um das Drüsenfett der Ruderfußtöle abzusaugen. Der babelusische Hochadel, der in dieser Erfindung eine Rückkehr Sonsensns zu den traditionellen Werten erkennt, leiht ihm dafür als Anerkennung für zwei Wochen einen Adelstitel. Nach diesen zwei Wochen gibt er den Adelstitel zurück und erfindet weitere Geräte, allerdings ohne speziellen Aufgabenbereich. Die meisten dieser Geräte weisen außer einer erheblichen Sperrigkeit keine besonderen Eigenschaften auf, einige riechen recht streng, aber das ist auch alles. Das einzige Gerät aus dieser Schaffensperiode, dem Sonsensn, zumindest eine Bezeichnung zukommen läßt, ist das sogenannte Küchengerät. Dabei handelt es sich um eine festverleimte Anballung von fünf Kubikmetern Papierhandtüchern und einigen optischen Linsen. Und das könnte ich, zumindest motivisch in einen Teppich einweben. Das geht sicher. Oder ich lern Einrad fahren. Gut, das ist vielleicht wieder ein bißchen egomanisch, so eine Metapher für "Das Leben ist eine einsame Disziplin!" Ein Tandem - Einrad! Das wär´s! Im Spätwerk von Ruggiero Sonsensn findet man sicher Pläne für sowas. Da könnt ich dann jemanden einladen. " Komm, fahr´n wir am Wochenende gemeinsam ......" weiß ich nicht, "...um´s Eck!" oder, wo man halt am Wochenende hinfährt. So etwas gibt es sicher, also, stell ich mir vor. Zu einem Hundeabrichteplatz. Da kann man dann auch gleich in Erfahrung bringen, was man mit so einem großen Hund ....... muß. Tragen vielleicht, weil er zu schwer ist für seine Beine, oder öfter einmal auf´s Kathasteramt, nachmessen, ob er schon wieder gewachsen ist, oder, ob der Körper gleichmäßig verteilt ist, und dann bringt man ihn zum Wuchten. Oder vielleicht muß man so einem großen Hund auch jeden Mittwoch etwas vorsingen, damit er keine Lockenwickler frißt, oder weil sonst seine Augen zu weit nach außen wachsen. Wenn das nicht zu kompliziert ist, was man mit so einem großen Hund machen muß, dann kauf ich mir dort gleich den allergrößten, den sie dort haben. Der heißt dann "Zwuzi". Und am Dienstag such ich mir immer schon ein schönes Lied aus, das ich ihm dann am Mittwoch vorsingen werde. Ich hab zwar keine Lockenwickler daheim, aber erstens weiß ich ja nicht, was noch alles passieren kann, aber selbst, wenn ich nie Lockenwickler daheim haben werde, möchte ich nicht, daß der Hund dann zur Nachbarin betteln geht.

Wenn es Physik und Metaphysik gibt, dann legt sich sehr dringend die Idee von Metamathematik nahe. Das klingt zumindest lustig. Metamathematik. Das ist kein Zungenbrecher, das ist ein Lippenschmeichler. Ich gründe einen Lehrstuhl für Metamathematik, und gehe damit zu allen Universitäten hausieren. Und dann sag ich: "Bei der Metamathematik geht es um Beweisführungen für Gruppen von Problemkomplexen, die mit keinem Zeichensystem beschreibbar sind." "Hä?!" "Das muß man spüren!", sag ich dann. Vielleicht werd ich der erste Mensch, der auf allen europäischen Universitäten Lokalverbot hat. Oder es funktioniert, und dann sitz ich mit meinen Studenten im Seminarraum und jeder denkt sich ein Problem aus, das sich nicht beschreiben läßt. Und wer eins gefunden hat, darf zum Ohrenarzt, oder woanders hin, wenn er dort keinen Termin bekommt. Wenn´s für sonst nichts gut ist, ist "Metamathematik" zumindest prima geeignet, Labello auf den Lippen zu verteilen. Oder: Ich mach ein Lokal auf. Das heißt dann "Kulkma" und es gibt dort babelusische Küche; Restecremesorbet mit Soße vom Übriggebliebenen, und Gemischte Plörre an, auf, bei, jedenfalls aber in unmittelbarer Nähe von Pottwalkaviar. Oder Lungenbraten vom Kiemenatmer, auch eine babelusische Spezialität. Oder ich mach kein eigenes Lokal auf, sondern ich werd Reinschmeißer in einem Vegetarischen Restaurant. Oder ich werde Elchflüsterer. Wenn ein Elch irgendwo, weiß ich nicht, was macht, wo man ohne einen Elchflüsterer einfach nicht mehr auskommt, dann komm ich: "Pst! Heast, reiß di z´saumm!" Da könnt ich dann auch meinen alten Heimathafen besuchen, und nachschaun, ob ich nicht vielleicht doch als Touristenattraktion irgendwo angebunden bin, und norwegische Binnentouristen auf mir skandinavische Zoten grölen. Dann müßt ich mich befreien, und mit einem Hilfsmotor mich von der Kaimauer losreißen und in den Sonnenuntergang fahren. Das würd mich eh interessieren, wie ein Sonnenuntergang aus der Nähe ausschaut.

Das sind so Sachen, die ich machen könnte.

Hoffnungen müssen sich ja nicht erfüllen. Mit der Hoffnung ist das ein bißl wie mit der Gegenwart; so richtig spürbar ist sie nur im Jetzt. Und wenn das, was man gehofft hat wirklich eintritt, dann ist man damit so zufrieden, daß man sich bald nicht mehr erinnert, wie sehr man gehofft hat. Weil es ist ja da, da gibt es ja auch nichts mehr zu hoffen. Nur, wenn´s nicht passiert, weiß man später noch genau, wie man gehofft hat. Erfüllte Hoffnungen sind ein flüchtiges Gut. Aber gut, was soll man machen? Die Hoffnung, wie der Winzer sagen würde, auf Flaschen ziehn? Das wär sicher ganz angenehm, wenn man immer so in einem Flachmann ein Achtel Hoffnung bei sich hat, und wenn man sie braucht, nimmt man schnell einen Hacker. Dazu müßte man aber vorher die Hoffnung verallgemeinern. Also nur die Substanz haben, ohne spezielle Zielrichtung. Weil, wenn beim Zahnarzt im Wartezimmer, sich eine anschwellende Verzweiflung Bahn bricht, hilft die Hoffnung auf eine billige Handtasche im Sommerschlußverkauf wenig. Wär auch blöd, wenn man dann vielleicht eine fremde Hoffnung erwischt, oder, noch blöder, eine nicht ganz so fremde Hoffnung. So eine geheime Sehnsucht vielleicht. Man möchte sich vor dem Länderspiel ein bißchen Hoffnung antrinken, aus der Hausapotheke, weil man weiß, daß man die brauchen wird, und sieht dann das ganze Spiel über den Kellner aus der Pizzaria unter Palmen spazierengehen und "Ti amo!" sagen, und dabei schaut er einem tief in die Augen. Es müßte also schon eine allgemeine Hoffnung sein, die man, wenn´s ein bißl eng wird, unterm Herzen trägt. - Wo der Flachmann ja gewöhnlich sitzt. Frauen tragen den Flachmann wahrscheinlich eher, wenn überhaupt, im Handtaschl, aber die "Hoffnung im Handtaschl" - das ist als Bild einfach nicht so schön. Auch nicht, wenn man sich ein Herrnhandtaschl vorstellt. Aber es gibt ja sehr schöne Damensakkos. Wenn Sie vielleicht, gleich welchen Geschlechts Sie sind, grundsätzliche Vorbehalte gegen Sakkos haben, - ich bin beim manifestieren von Idiosynkrasien bestimmten Kleidungsstücken gegenüber unbedingt für freie Gestaltung - wenn Sie es also für Ihre Person ausschließen, auch nur in Gedanken ein Sakko überzustreifen, meinen Segen haben Sie, dann stellen Sie sich bitte eine Latzhose vor, das ist zumindest sehr bequem, und vor allem paßt in die Brusttasche ganz prima ein Flachmann hinein; eben auch unter dem Herzen, wo man dann eine allgemeine Hoffnung mit sich trägt. "Eine allgemeine Hoffnung" klingt auch ein bißl mau. Sagen wir "die reine Hoffnung", es geht ja ohnedies nicht, da haben wir ein bißchen Gestaltungsfreiheit. "Die reine Hoffnung" klingt einfach schöner. Also: Es wäre schön, könnte man die reine Substanz der Hoffnung, wenn man in einer Situation ist, in der Hoffnung geboten ist, in einem kleinen Behältnis, wie zum Beispiel einem eleganten Flachmann immer unterm Herzen tragen - in einer Latzhose. Also, Sie machen es einem aber auch nicht leicht!

Aber solange ein Gegenteil nicht bewiesen ist, hoffe ich einfach! Was bei der Mathematik funktioniert, will ich mir auch leisten. Ich hoffe zum Beispiel, daß mir diese Körper-Geist-Seele Sache nicht aus dem Ruder läuft. Ich glaube, das ist nämlich recht kompliziert. Das sollte natürlich ausgewogen sein, aber wahrscheinlich ist das bei niemandem echt ausbalanziert. Da ist, glaube ich, immer eines davon dominant, eines davon markiert immer den dicken Max, und die anderen zwei sollten halt nur nicht stören. Und das ist dann so ein Ungleichgewicht, mit dem man sich arrangiert, und man glaubt dann, das gehört so. Und vielleicht ist das ja sogar in Ordnung. Und das funktioniert ja auch, solange in dem Arrangement keine Veränderungen vorgenommen werden. Wenn der Körper gewohnt ist, daß er zwar ernährt wird, aber ohne Folklore, sondern themenzentriert, das Notwendigste kommt ´rein und das ist es dann auch schon, und sich die Seele mit dem kleinen Rauchopfer zufriedengeben muß, und ihr Wirkungsbereich hauptsächlich darin besteht, daß sie als Ausrede herhalten muß für Mieselsucht und Ruppigkeit, dann hat der Geist das Ich fest im Griff, und so kann man durchaus leben. Wenn sich da jetzt die Kräfteverhältnisse verschieben, und sich der Geist auf das ihm zustehende Drittel zurückzieht, dann haben Körper und Seele auf einmal eine Zweidrittelmehrheit. Und: dieser Zweidrittelmehrheit ist mit Argumenten nicht beizukommen. Weil Körper und Seele haben´s nicht so mit Argumenten. Trinker, Raucher oder Menschen, die andere nette kleine Angewohnheiten mit Suchtcharakter haben, werden wissen, wovon ich spreche. Eine Seele, die jetzt dringend Bier und Zigaretten braucht, aber nicht daheim, sondern unter Menschen, in zumindest vier verschiedenen Lokalen, oder ein Körper, der willenlos nach einem Zuckerschock jault, die sind mit "Schau. Das ist doch nicht vernünftig." einfach nicht zu beeindrucken. Da kann der Geist inzwischen, wenn er irgendetwas tun will, sich Entschuldigungen dafür ausdenken und inzwischen überlegen wie sich das finanzieren läßt, aber sonst kann er da gar nichts machen. Andererseits, wenn die Seele einmal vor Freude singt, oder der Körper den Kopf in den Nacken wirft und schwer atmet, - dann ist der Geist eigentlich auch eher im Weg. - Naja. - Da muß er sich halt arrangieren. Na, das wird spannend; Basisdemokratie in der eigenen Haut.

G.: So, ich hab mir eine Tagesordnung überlegt,..
K.: Hunger!
G.: ...Aha! Dann essen wir vielleicht vorher etwas. (zu S.) Hm?
S.: Ich weiß nicht, ich bin irgendwie melancholisch.
G.: Ja. Das heißt nein, du bist nicht melancholisch, du bist depressiv. Das liegt an ihm. (deutet auf K)
K.: Hung....was?
G.: Die Zirbeldrüse.
S.: Wie jetzt?
G.: (zu S.)Der Melatoninhaushalt ist im Eck, deswegen ist der Wach - Schlaf - Zyklus ziemlich entgleist, deswegen kommt er nie ans Tageslicht, deswegen ist auch das Serotonin herunten, und du bist depressiv.
S.: Da muß man ja was machen!
G.: Ihr müßt was machen; mich stört´s ja nicht.
S.: (zu K.) Hast du nicht einen Vorschlag?
K.: ....Wir könnten uns zum Essen in einen Gastgarten setzen.
S.: (verdreht die Augen)
G.: Naja, das war immerhin ein Vorschlag. Was wollen wir essen?
K.: Viel!
G.: Na, fein. (zu S.) Und worauf hast du Appetit?
S.: Auf seelische Nahrung, natürlich.
G.: Soll ich das jetzt kurz zusammenfassen, oder fangen wir einfach noch einmal bei "Tagesordnung" an?
K.: Hunger!
G.: Aha. Wie wär´s, wenn wir in einen Gastgarten ..
S.: Ich möchte in eine Tanztherapie!
K.: Was?
G.: (zu K.) Kannst du beim Tanzen essen?
K.: Ich habe Hunger!
G.: Also gut, wir gehen zuerst was essen, damit wir gestärkt sind, Gastgarten wird heute wahrscheinlich keiner mehr offen haben, und dann ..... (zu S.) Sag, was machen wir in einer Tanztherapie?!
S.: Ich möchte mich verwirklichen.
G.: Und das geht mit Briefmarkensammeln nicht?
S.: (verdreht wieder die Augen)
G.: War ja nur eine Frage. - Muß ich da mit?
K.: Ich muß ja auch mit.
S.: Ich finde, wir sollten etwas gemeinsam machen.
G.: Wir könnten ins technische Museum.
K.: (verdreht die Augen) Füße in den Bauch stehen. Super Idee!
G.: (zu K.) Wolltest du nicht was essen gehen?
S.: Ja, gehen wir gemeinsam essen! Da können wir uns ja dann noch über die Tanztherapie unterhalten.
G.: Sag, und wenn wir uns Seidenmalen selbst beibringen. Wär das nichts? Statt der Tanztherapie, mein ich.
S.: Das würdest du machen?
G.: Wenn uns keiner sieht dabei, so für den Anfang, ....halt, ...
K.: Das wär mir, ehrlich gesagt, auch lieber.
S.: Na, schön! Aber ich brauche seelische Nahrung.
K.: Und ich brauch körperliche Nahrung.
G.: Super. Dann gehen wir jetzt bitte was essen, (zu K.) wohin du willst, und ich nehm mir was zum Lesen mit.
S.: Aber nicht wieder was über Kosmologie oder Technik!
G.: Ich möchte nicht den Rest unserer Tage in einem ideendichten Zustand katatonienaher Glückseligkeit zubringen. Ich brauch auch Nahrung. Außerdem was soll ich sonst lesen?
S.: Etwas über Menschen.
K.: Hunger!
G.: (zu K) Ja, gleich! (zu S) Soll ich mir jetzt einen Arztroman kaufen?
S.: Du hast von seelischer Nahrung überhaupt keine Ahnung!
G.: Nein, aber ich weiß, wovon sich Delphine ernähren. Gilt das auch? Irgendwie?
K.: Ich weiß es jetzt! Ich möchte ein Thunfischsandwich!
S.: So, und jetzt machen wir das Witzkisterl wieder zu, und überlegen uns, was wir jetzt machen.
G.: Wenn ich jetzt sag, wir gehen in ein Fischrestaurant, klingt das wahrscheinlich irgendwie blöd.
S.: Wenn die einen Gastgarten haben, komm ich mit. Vielleicht kaufst du dir ein GEO, und liest für den Anfang einmal etwas über fremde Völker; das ist auch interessant, und es sind Menschen dabei.
K.: Also, ich geh jetzt! Kommt ihr mit?(Und dann so im Abgehen)
S.: Was hast du gemeint mit "Ideendichter Zustand katonaher Glückseligkeit"?
G.: Es heißt "Katatonie", "Katatonienahe Glückseligkeit" aber vergiss es, es ist nicht so wichtig, ich mach das schon.

Ich hoffe, daß das jetzt eine Zeit wird, die was hat. Es muß ja nicht weißgottwas sein, aber irgendwas sollte sie schon haben. So etwas, daß wenn man in zehn oder zwanzig Jahren zurückdenkt, daß man so sagt: "Oh, ja. Das war schon gut." Mehr muß gar nicht sein. Aber sowas sollte das jetzt werden. Nicht nur für mich, sondern überhaupt. Es sollte eine Zeit werden, für die man sich nicht genieren muß, weder mittendrin noch nachher. Eine Zeit, in die man jemanden einladen könnte und sagen: "Schau, so leb ich! So haben wir´s! Da sind die Grundsätze, da sind die Möglichkeiten, die sind ein bisserl unübersichtlich, das ist aber in Ordnung, besser zumindest, als es wäre anders, dort ist die Mode, bitte, die ist halt ein Zeitphänomen, das ist immer so. Das ist die Musik. - Ja, richtig, die paßt zur Mode, das gehört auch so. Das sind die Filme, die wir uns ansehen. - Naja, das Übliche; eine scheinbare Ordnung wird zerstört, eine andere Ordnung wird hergestellt. Aber es werden dabei weniger Menschen erschossen, weiß ich nicht, wie das passiert ist, vielleicht haben die damals die Statisten wirklich alle erschossen, und jetzt finden sie keine mehr, jedenfalls werden in den Filmen jetzt weniger Menschen erschossen, und die Geschichten, find ich, sind gut. Dort drüben sind unsere Ängste, klar jede Zeit hat ihre Ängste, unsere sind dort, mehr sind das nicht, die sind allerdings berechtigt, und wir wissen, wo sie sind. Wahrscheinlich haben wir auch unsere Irrtümer, klar jede Zeit hat ihre Irrtümer, aber wo die liegen, weiß man immer erst nachher. Irgendwo sind die sicher, hoffentlich nicht unter den Grundsätzen, weil mit denen sind wir sehr froh. Wie wir miteinander umgehen ist ganz einfach; wer andere gelten läßt, wird respektiert, wer hetzt, fliegt raus, aber es halten sich eigentlich alle daran. Hoffnungen haben wir auch, aber die haben bei uns keinen speziellen Platz, die sind praktisch überall." So eine Zeit sollte das werden! Das wär fein!

Eine Hoffnung, die ich habe, die ist so schön, daß ich Sie ihnen erzählen will. Das ist wie gesagt nur eine Hoffnung, und die wird sich höchstwahrscheinlich nicht erfüllen, aber als Hoffnung find ich sie einfach sehr schön; in jeder Fernsehtalkshow, jeder, der zu Gast ist, sagt zum Talkmaster: "Das geht Sie nichts an! Ich sitze hier nur, damit hier kein anderer sitzt, den Sie vielleicht dazu bringen, daß er sich hier entblößt! Ich sitz das hier locker durch. Wenn Sie wollen, daß hier jemand schreit oder weint, oder sich irgendwie zum Trottel macht, damit Sie mit der Betroffenheitslametta rascheln können, dann müssen Sie das jetzt alles selbst machen, dafür haben Sie eine Stunde lang Zeit. Toi, toi, toi!" Jeder. In jeder Talkshow. Das würde mir einfach sehr gefallen. Und was wichtig ist, erzählt man den Menschen, die einem wichtig sind. Auch wenn´s vielleicht nicht so wichtig ist. Jedenfalls erzählt man es jemandem, bei dem das, was man erzählt, gut aufgehoben ist. Wo man nachher völlig zurecht sagen kann: "Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!"

(Blackout)